Trend-Talk Nachhaltigkeitsberichterstattung VSME-Standard
Überblick und Hintergrund
Das Webinar wurde vom Changehub Berlin in Kooperation mit der Evangelischen Bank durchgeführt und behandelte den VSME-Standard (Voluntary Sustainability Reporting Standard for Small and Medium Enterprises) für gemeinnützige Träger der Gesundheits- und Sozialwirtschaft.
Referenten:
- Hans Christoph Reese (Evangelische Bank, Team Nachhaltige Kundenprojekte)
- Ulrich Stülpnagel (Evangelische Bank)
- Aaron Jakob (Nexus Light Tool)
Die EU-Omnibusverordnung und ihre Auswirkungen
Die EU hat ein Verfahren zur Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichtspflicht angestoßen, das zwei wesentliche Richtlinienvorschläge umfasst:
„Stop The Clock“ (Vorschlag 2025/80):
- Berichtspflicht für große Kapitalgesellschaften um zwei Jahre verschoben (von 2026 auf 2027)
- Gilt für die „zweite Welle“ berichtspflichtiger Unternehmen
- Bereits vom EU-Parlament beschlossen, muss bis 31.12.2025 in nationales Recht umgesetzt werden
Vereinfachungsregelungen (Vorschlag 2025/81):
- Drastische Verringerung des Anwendungsbereichs
- Neue Schwellenwerte: erst ab 1.000 Mitarbeitern UND (25 Mio. € Bilanzsumme ODER 50 Mio. € Umsatz)
- Bisherige Regelung: ab 250 Mitarbeitern
- Wegfall sektorspezifischer Standards
- Einschränkung des „Trickle-down-Effekts“ in der Lieferkette
Der VSME-Standard im Detail
Zielsetzung: Der im Dezember 2024 von der EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) vorgelegte Standard richtet sich an Unternehmen, die freiwillig berichten möchten.
Hauptvorteile des VSME:
- Strukturierte Kommunikation: Standardisierte Informationsbereitstellung für Geschäftspartner, Banken und Investoren
- Risikomanagement: Systematische Erfassung und Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken
- Stakeholder-Kommunikation: Transparenz gegenüber Gremien und Öffentlichkeit
- Strategische Weiterentwicklung: Der Standard fungiert als Leitfaden für Managementprozesse
- Wettbewerbsvorteile: z.B. bei der Personalbeschaffung durch transparente Kennzahlen (Gender Pay Gap)
Unterschiede zum ESRS-Standard:
- Jährliche Erstellung nur bei Anforderung durch Geschäftspartner
- Freie Entscheidung über Veröffentlichung (Homepage, Lagebericht oder gar nicht)
- Zwei Module: Basis und Comprehensive (umfassend)
- 70% Metriken, 30% narrative Teile (bei ESRS umgekehrt)
- Deutlich weniger Berichtspflichten als beim ESRS mit 1.200 Datenpunkten
Praktische Umsetzung
Empfohlenes Vorgehen (5 Schritte):
- Standortbestimmung:
- Führungsmannschaft einbinden (kein Einzelkämpfer-Projekt!)
- Struktur und Terminologie des Standards verstehen
- Tool: „Sustainability Scoring“ der Evangelischen Bank
- Berichtsrahmen festlegen:
- Unternehmen beschreiben
- Wertschöpfungskette aufzeichnen (erleichtert Themenzuordnung)
- Themenauswahl:
- 90 Nachhaltigkeitsaspekte screenen
- Wesentlichkeitsanalyse durchführen (deutlich einfacher als bei ESRS)
- Datensammlung:
- Größte Herausforderung!
- Frühzeitig beginnen
- Facility Management und Personalabteilung einbinden
- Widerstände überwinden (hohe Penetranz erforderlich)
- Bericht erstellen:
- Toolgestützt (z.B. Nexus Light)
- Ressourcenschonend und effizient
Kritische Erfolgsfaktoren bei der Datensammlung:
Die größte Herausforderung liegt nicht im Schreiben des Berichts, sondern in der Beschaffung der Daten:
- Fuhrpark: Kilometer-Leistung, Treibstoffverbräuche (oft dezentral organisiert)
- Facility Management: Energieverbräuche, besonders bei gemieteten Objekten
- Personal: Diversitätskennzahlen, Gender Pay Gap
- Emissionen: Scope 1, 2 und 3 nach dem 1,5-Grad-Ziel
Erfahrung zeigt: 99% aller VSME-Daten und 80% aller ESRS-Daten existieren bereits im Unternehmen – man muss nur wissen, wo sie sind.
Das Nexus Light Tool
Aaron Jakob stellte das Software-Tool vor, das die VSME-Berichterstattung erheblich erleichtert:
Funktionen:
- Dashboard mit Bearbeitungsstand
- Wesentlichkeitsanalyse Light (90 Nachhaltigkeitsaspekte)
- Bewertung nach Impact, Risks und Opportunities (0-5 Punkte)
- Automatische Generierung relevanter Datenpunkte
- Differenzierung zwischen Basis- und Comprehensive-Modul
- Workflow-Management mit Zuordnung zu Verantwortlichen
- Zeitreihen-Darstellung für Strategieverfolgung
- Automatische Report-Generierung (PDF, DOC, JSON)
- Export nach SFDR-Standard für Banken
- Kopier-Funktion für Folgejahre (größte Zeitersparnis!)
Zentrale Empfehlungen
- Frühzeitig starten: „Keiner muss perfekt sein – es ist ein Nachhaltigkeitsbericht, keine Nachhaltigkeitsbeichte“
- Breite Einbindung: Personal, Facility Management, Führungsebene
- Hartnäckigkeit: Besonders beim Facility Management Widerstände überwinden
- Prozesse etablieren: Dauerhafte Datenerfassungsstrukturen schaffen
- Comprehensive Modul wählen: Enthält Datenpunkte, die Banken benötigen
- Zukunftssicherheit: Auch kleinere Unternehmen sollten berichten (Fusionen, Bankenforderungen)
Ausblick
Der VSME-Standard wird bis Ende Oktober 2025 um ein „VSME Plus“ für Organisationen über 250 Mitarbeiter erweitert. Die Wesentlichkeitsanalyse wird dann voraussichtlich auch für kleinere Unternehmen wieder relevant. Der Standard ist aus dem ESRS abgeleitet und ermöglicht bei Bedarf einen späteren Wechsel zum umfassenderen Standard.
Kontakt für weitere Informationen: Changehub Berlin und Evangelische Bank stehen für Beratung zur Verfügung.